1st FamilyAWARD in Baden-Württemberg

400.000 Frauen –  die „stillen“ Reserven in Baden-Württemberg

Interview mit Dr. Birgit Buschmann
Ministerialrätin
Leiterin Referat Frau, Wirtschaft und Technik
Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg

„ Wir finden keine Leute  – aber wir haben 400.000 Frauen , die die Unternehmen als Fachkräfte gewinnen könnten“, so ein Partner der Steuerberatungsfirma, die den ersten FamilyNET AWARD für die Kategorie kleinen Unternehmen  in Baden Württemberg gewonnen hat.

Mit dem ersten FamilyNET AWARD werden die Mittelständischen Firmen für neue Wege im Wettbewerb um die besten Fachkräfte in familienbewußten Unternehmen ausgezeichnet. Bedarfsgerechte Angebote bei der Kinderbetreuung und der Pflege der Angehörigen fördern zudem die Rahmenbedingungen für die Chancengleichheit von Frauen und Männern in Unternehmen. Auch individuelle Lösungen in der Arbeitszeit, Arbeitsorganisation und Weiterbildung sollen die Mitarbeiter an das Unternehmen binden.

Nach der Preisverleihung habe ich mit Dr. Birgit Buschmann, Referatsleiterin „Frau, Wirtschaft und Technik“ im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und der Mittelstandsexpertin über die Situation der Frauen in Baden Württemberg gesprochen:

Erika Schroth:

Frau Dr. Buschmann, wo stehen wir Ihrer Meinung nach heute in der beruflichen Gleichstellung von Frauen und Männern in Baden-Württemberg im Allgemeinen und besonderen und was wurde in der in den letzten 10 Jahren erreicht?

Dr. Birgit Buschmann:

Wir haben viel erreicht, aber es bleibt auch noch viel zu tun. Mit einer Frauenerwerbsquote von 70% liegt Baden-Württemberg über dem Bundesdurchschnitt (68%) und auch im Vergleich zum europäischen Durchschnitt von 62% schneiden wir besser ab. Aber nach wie vor unterscheiden sich die Erwerbsmuster und der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen stark. Wir haben mehr Frauen in Teilzeitarbeit (51%) und in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (30%) als bundesweit und in Europa.  Dual Career, die qualifizierte Erwerbstätigkeit von Mann und Frau ist eher noch die Ausnahme. So liegt auch der Anteil der Frauen in Führungspositionen in Baden Württemberg 2011 mit 23% unter dem Vergleichswert von 27% von Bund und EU.

Immer noch gilt, Frauen sind eher die Zuverdienerinnen und der Mann ist der Hauptverdiener. Frauen wollen und müssen verstärkt berufstätig sein, da häufig ein Einkommen nicht ausreicht. Bei Akademikerinnen stellen wir fest, dass die Erwerbsunterbrechungen aufgrund der Elternzeit kürzer werden und zunehmend auch von beiden Mann und Frau in der Partnerschaft getragen wird. Aber wir haben die faktische berufliche Gleichstellung noch lange nicht erreicht.

Erika Schroth:

Dienstleistungsunternehmen fallen durch gute Beispiel bei individuellen Lösungen in der Arbeitszeit und Kinderbetreuung auf. Wie löst das ihrer Erfahrung nach der produzierende Mittelstand, die wichtigste wirtschaftliche Säule in Baden Württemberg? Und welche Rolle kommt dabei den Tarifpartnern in Metall und Chemie zu?

Untersuchungen zeigen, dass die Unternehmen vor allem durch flexible Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle an der Entschärfung des Zeitkonfliktes zwischen Beruf und Familie ansetzen. Noch relativ wenig passiert im Bereich der betrieblicher Kinderbetreuung in mittelständischen Unternehmen. Der Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit belegt, dass die Bedeutung der Familienfreundlichkeit im Dienstleistungsbereich gegenüber der Industrie bereits etwas weiter fortgeschritten ist. Dies zeigt sich sowohl bei der Arbeitszeitflexibilisierung, als auch bei Angeboten in der Elternzeit, Kinder- und Angehörigenbetreuung und Familienservice.

Die Beschäftigungswünsche von Frauen und Männern bewegen sich in der Tendenz aufeinander zu: Frauen möchten im Durchschnitt ihr Arbeitsvolumen erhöhen, Männer möchten diese reduzieren, um mehr Zeit für Familie und eine ausgeglichenere work-life-balance zu erreichen. Hier gilt es Männer und Frauen zu unterstützen, die sog. „rush-hour des Lebens“ zu entzerren und vielfältige, gleichberechtigte Lebens- und Berufsmodelle in einem modernen, gesellschaftlich und wirtschaftlich innovativen Baden-Württemberg umzusetzen. Dabei spielen die Tarifpartner eine sehr wichtige Rolle, um das Thema insgesamt in den Unternehmen voranzubringen und nachhaltig zu verankern. Flexible Arbeitszeitmodelle schaffen Freiräume für Kinder- und Elternzeiten sowie Pflege. Aber auch die betriebliche Kinderbetreuung die privatwirtschaftlich organisiert wird, schafft Rahmenbedingungen. Und damit ist nicht alleine die betriebliche Kinderkrippe gemeint. Es gibt viele Varianten, die auch für kleinere Unternehmen möglich sind, z.B. Plätze einkaufen, Tagesmütter, Zuschüsse und Kooperationen mit anderen Firmen. Den Wirtschaftsförderungen der Kommunen kommt dabei eine wichte moderierende Rolle zu, die Firmen zusammenzubringen und die Standortbedingungen attraktiver gestalten.

Erika Schroth:

Der existierende und in naher Zukunft eintretende Fachkräftemangel motiviert die Unternehmen, ihr familienbewusstes Image zu pflegen und die Serviceangebote für Beruf und Familie zu organisieren. Als „stille“ Reserven gelten Frauen und Ältere. Wie nachhaltig ist diese „Diversity“?

Dr. Birgit Buschmann:

Nach einer Untersuchung zur Sicherung des Fachkräftebedarfs und Beschäftigung Älterer (2011) des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung, Tübingen (IAW) rangieren in der Personalarbeit in Unternehmen an erster Stelle Weiterbildung, zweitens die Ausbildung, drittens Personalentwicklung, viertens die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, an fünfter Stelle erst Beruf und Familie und das Thema „Ältere länger halten“ erst an der sechster Stelle.

Diversity als Personal- und Unternehmensstrategie spielt bislang eher bei großen Firmen wie Bosch und Daimler eine Rolle und wird dort z.B. untergliedert in Unternehmenskultur, Gender, Internationalität, Generationenmanagement. Im Mittelstand stehen eher Einzelbereiche z.B. im Demographie- und Gesundheitsmanagement im Vordergrund.

Erika Schroth: Ihr Fazit?

Birgit Buschmann:

Frauen ist der Beruf wichtiger geworden, die Unternehmen familienbewusst zu gestalten ist angekommen, Frauen in Führung und Diversity sind im Mittelstand noch nicht richtig angekommen. Da liegt haben wir noch eine Strecke vor uns.

Erika Schroth:

Vielen Dank für das Gespräch

Mehr zu FamilyNet AWARD:

http://www.suedwestmetall.de/

http://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/arbeitgeberpraesident-hundt-und-wirtschaftsminister-schmid-zeichnen-familienfreundliche-unternehmen/

http://www.mfw.baden-wuerttemberg.de/sixcms/detail.php/249456

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