Begegnungen mit Authentizität

Was ist eine Begegnung? Was sind echte Begegnungen? Was ist authentisch?

Diese Fragen wühlen meinen Geist seit Januar 2015 immer wieder auf. Berufliche Anlässe dafür gibt es genug, wenn man mit Menschen zusammenarbeitet und auch gerade wurde mein Unternehmen permanent·es als Marke eingetragen. Doch das entscheidende Erlebnis ist ein Film, ein Interview, oder besser ein gefilmten Dialog mit Prof. Hans Raffée, dem Ehrenpräsidenten des ABSOLVENTUM MANNHEIM, das ich als Mentorin ehrenamtlich unterstütze. Der Film „Bewegte Botschaften in Begegnungen“ wurde zusammen mit Servet Akgöbek und Shahbaz Noshir von Pando Diferente produziert.

Die Begegnungen mit Prof. Dr. Hans Raffée

Die erste Begegnung mit Hans Raffée liegt schon einige Jahre zurück. Ich habe den Dialog mit Herrn Raffée in einer schwierigen unternehmerischen Situation gesucht. Damals stand ich vor der Entscheidung, ob ich permanent·es in eine größere internationalen Personalberatung übergehen lasse. Abgesehen davon, dass immer wieder auf meine kleine „Marke“ von Kunden zugegriffen wurde, spürte ich damals ein großes Unbehagen, ich hatte das Gefühl meine persönliche Identität und das Handeln dieses Unternehmens stimmen nicht überein. Es war nicht echt, nicht authentisch.

Mit dem Satz, das was die machen, können sie auch und noch viel mehr, bestärkte Hans Raffée mein Unternehmen weiter zu machen und auszubauen und vor allem authentisch zu bleiben. Und ist es nicht genau das, wodurch man/frau sich vom Markt differenziert? Die Erfahrung bestätigt mich zwischenzeitlich, dass die Kunden auch einen ideellen Mehrwert suchen und nicht das seelenlose Produkt.

Was aber ist Authentizität?

Der Begriff findet sich zuerst in der Philosophie, noch bevor sich die Psychologen, Soziologen und Betriebswirte darüber Gedanken machten. Im frühen 20. Jahrhundert steht Authentizität in der Existenzphilosophie als „Äquivalent“ für „Eigentlichkeit“ – bis heute.

Das „catchword“ des 20 Jahrhunderts ist in seiner semantischen Bedeutung „Echtheit“. Natürlichkeit, Originalität, Individualität, Ursprünglichkeit, Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit. Die Besorgnis des Verlusts der Authentizität durch die moderne Gesellschaft kam durch die technischen Entwicklungen der visuellen Kommunikation Ende des 20. Jahrhunderts. Die technischen Möglichkeiten der medialen Inszenierungen z.B. im Film in Reality TV Formaten lassen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen. „ Bis heute steht der Begriff der Authentizität in Zusammenhang mit der aufkommenden Kritik an der Oberflächlichkeit der Kultur, in der der Schein das wahre Sein verdrängt.“ (z. Burmann/Schllehn – Die Bedeutung der Marken-Authentizität für die Markenprofilierung).

Authentizität steht aber auch als ein Gegenentwurf zu Personenkult, Statusdenken und Persönliche Eitelkeit. Gerade in der modernen Medienwelt, in der wir im Spiegelkabinett alle Regungen per Selfie festhalten und posten, geben wir uns immer neue Rollen und Schablonen – wer bin ich dann noch eigentlich? Sein wahres Gesicht zeigen – Ehrlichkeit – wird in der Organisationsspychologie bei GOFFEE/Jones  als die Voraussetzung für die Zuschreibung von Authentizität beschrieben.

Gerade Führungspersönlichkeiten sollen von den Mitarbeitern als authentisch, das heißt „ehrlich und ehrwürdig wahrgenommen werden. In Familienunternehmen verkörpern die Inhaber die Authentizität, die sich in der Führungskultur bis nach unten fortsetzt und Mitarbeiter zu Leistungen anspornt. Wer ehrlich, klar und berechenbar handelt ist nach der Soziologie authentisch. Die Person kann vermitteln, dass das Handeln nicht durch externe Einflüsse dominiert wird, z.B. soziale Konventionen, sondern das Handeln auf dem persönlichen Wertesystem beruht.

Aktualität von Authentizität

Die Bedeutung von Authentizität in einer Gesellschaft und Unternehmen wird vor allen in Zeiten des Umbruches deutlich. „Authentizität“ wirkt als kultureller Anker in eine durch industrialisierten und digitalen Welt, in der das Bedürfnis nach authentischen Erlebnissen wächst und die Erfahrungen von Traditionalität, Originalität und Unberührtheit den Menschen Stabilität  und Geborgenheit vermitteln. Insofern war die mediale Show von Frau Merkel anlässlich des G7 trefflich inszeniert: eine Heimat im harmonischen Bayern zwischen Blumenwiesen und Trachten setzt genau an diesem Bedürfnis nach Geborgenheit an. Wenn das keine Einladung an die traumatisiert Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten war, die wir dann aber auch so in unsere Gesellschaft aufnehmen müssen. Nur dann sind wir glaubwürdig.

„Wirkliches Leben ist Begegnung“

Diese bedeutende Aussage von Martin Buber, dem jüdischen Religionsphilosophen löste eine zweite Begegnung mit Hans Raffée aus. Wir wussten beide nicht, dass uns die Gedanken aus der Philosophie der dialogischen Prinzipien verbinden. Bei einer Veranstaltung von ABSOLVENTUM, bei der ich Buber auf die Frage, was das Mentoring für mich bedeute, zitierte – offenbarte sich die Beziehung. Damit war für mich klar, ich möchte mehr über Hans Raffée in einem Interview erfahren. Doch es liegt in der Natur des Dialogs, dass aus einem Interview eine dialogische Erzählung wurde, mehr als ein Fastfoodvideo ein richtiger einstündiger Film  – was anderes wäre ja auch der Person angemessen nicht authentisch.

Am Anfang jeder Begegnung ist die Beziehung, gerne mit „Chemie“ umschrieben und die Haltung, dass sich keine Objekte (z.B. materielle Interessen etc.) zwischen das„Ich“ und  dem „Du“ stellen. Nur so ist von Anbeginn ein Begegnung und Dialog möglich – so Martin Buber.

Ich liebe es, wie meine beiden Filmpartner Servet und Shahbaz in einer ästhetischen Einfachheit und Klarheit die Erzählungen und den Dialog aufgenommen haben und damit die Echtheit von Hans Raffée eingefangen haben.

Man muss dazu stehen, wie man im Film wirkt. Das ist die Arbeit nach dem Film. Eine Aufnahme verbirgt nichts. Da uns die Authentizität wichtig ist, haben wir den Film nur so geschnitten, das die „Echtheit“ erhalten blieb. Es war eine tiefe emotionale Erfahrung für mich und Servet, indem wir gemeinsam in die Person von Hans Raffée – psychologisch und philosphisch- eintauchten, um dann sein Portrait zu gestalteten. Es ist ein meditative und künstlerische Arbeit, die uns erfüllte und wir waren beide in unserem beruflichen Element, Menschen zu verstehen und zu entwickeln.

Doch Begegnungen und filmische Reflektionen verändern unsere Authentizität, was gestern war ist morgen anderst authentisch. Eine banale Sache: mein braunes Jacket im Film werde ich nicht bestimmt nicht mehr tragen, es passt einfach nicht zu mir. Auch Hans Raffée machte sich danach so seine Gedanken.

„.nur wenn wir uns öffnen werden wir uns begegnen“,

diese Ergänzung von Hans Raffée ist sehr aktuell, wir werden andere Kulturen die zu uns zuwandern nicht „echt“ aufnehmen können, wenn wir uns nicht öffnen.

Martin Buber hat die Veränderungen, die durch die Begegnung entsteht schön ausgedrückt „Der Mensch wird am Du zum Ich“. Das heißt ohne, dass sich „echte“ Menschen gegenüber treten, wird sich unsere Identität nicht weiterentwickeln. Es geht nicht um Anpassung im Sinne von Integration, es geht um Inklusion, um eine respektvolle Annährung der Kulturen. Heimat wäre z.B. der Trachtenhut mit Wasserpfeife. Die Wiesen aber sollten nicht zur Wüste werden.

Begegnungen lassen sich nicht in „Welcome Center“ verwalten. Da bin ich ganz bei Jakob Köllhofer, dem Geschäftsführer des Deutsch Amerikanischen Institutes (DAI), der anlässlich einer Veranstaltung im DAI sich gegen Welcome Ghettos aussprach und den anwesenden gebildeten Bürgern vorschlug, dass sie doch die Fremden zu sich nach Hause einladen. Einfach und wirkungsvoll – bis so eine Handlung in der Masse der Bevölkerung „echt“ ist, braucht es aber ein wirklich anderes Denken. Es wäre doch so einfach, wenn wir nicht so kompliziert denken würden.

Erste Kritiker Stimmen zu Portrait Film „Bewegte Botschaften aus Begegnungen“

M.Wenzl, Werkstudentin, kommentierte „cooler Typ“ (Hans Raffée). Zwischen den beiden liegen 65 Lebensjahre.

Herr Haas, Geschäftsführer von ABSOLVENTUM fühlt sich an die TV Series über M. Proust in seiner Jugend erinnert.

Der Film wird einem internen Freundeskreis am 14. Sept. 2015 im Absolventum vorgeführt.

1 Antwort
  1. Sabine Arndt
    Sabine Arndt sagte:

    Ein wundervoller, stiller und langsamer Film. Fachlich interessant und persönlich hat mich der Film, bzw. Dr. Hans Raffée berührt. Die bewegten ‚Botschaften von ihm kann ich nur unterschreiben. Mir war Herr Raffée im Vorfeld nicht bekannt und ich kann meine Erfahrung nun nur weitergeben: Schauen und profitieren! 🙂

    Was mir bei der technischen Umsetzung besonders gut gefallen hat, ist der nahtlose Übergang bei den Interviews von der Totalen ins Porträt-Zoom und dies ohne Schnitt.

    Glückwunsch zu diesem Werk!!

    Antworten

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